Der Wutgärtner
Früher war Michael Schüler ein roter Eisenbahner, heute kämpft er in seinem Schrebergarten gegen Muslime und glaubt an die Konzepte der FPÖ. Die Geschichte eines Abtrünnigen.
Text & Fotografie: Benedikt Narodoslawsky, Natalie Campbell
Wenn Michael Schüler runterkommen will, dann setzt er sich auf die warmen Holzplanken an seinem Kaltwasserteich und sieht den Koifischen zu, wie sie ihre Runden ziehen. Über ihm hängen die Zweige des Kirschbaums, links plätschert ein künstlicher Wasserlauf, und wenn Schüler mit den japanischen Karpfen redet, dann wirkt er friedlich, so als hätte er seinen Hass vergessen.

Seit er weiß, dass der muslimische Verein Havas in der Nähe seines Schrebergartens ein dreistöckiges Kulturzentrum errichten will, fürchtet Schüler um sein Refugium. Im Norden von Wiener Neustadt, da, wo die Züge vorbeidonnern und ringsum nichts weiter ist als graues Gewerbegebiet, hat sich der Schrebergärtner ein grünes Paradies geschaffen. Wo einst ein unwirtlicher Fleck Erde war, blühen heute Rosen und Lavendel. 19 Jahre lang hat Schüler Liebe, Geld und Arbeit in sein Lebenswerk gesteckt. Jetzt herrscht in der Badener Straße Krieg.
Die Geschichte von Michael Schüler ist die Geschichte eines Arbeiters, der den Glauben an die Sozialdemokratie verlor und eine Weltreligion zum Feindbild erhob. Bräuchte die graue Masse, die sich frustriert von der SPÖ zur FPÖ hinwendet, ein Gesicht, dann wäre es seines: Es ist teigig, mit weißem Bart, kurz geschorenem Haar und blauen Augen hinter braun getönten Gläsern. Aus dem fleißigen Eisenbahner, der leblose Erde zum Blühen brachte und noch heute voller Leidenschaft von seiner verstorbenen Frau erzählt, ist ein Mann geworden, der gegen den Islam zu Felde zieht. Was ist mit ihm geschehen?
Schüler steht vor seinem Teich, der einzigen Stelle in seinem Schrebergarten, von wo aus er das bereits gemauerte Erdgeschoß des Islamzentrums sehen kann, und fragt: „Wie weiß man beim radikalen Islam, dass das nicht gerade der Nachbar ist?“ Als er vom Bau des Zentrums erfuhr, ging er ins Internet und recherchierte über den Islam, es hat ihn einfach interessiert. „Da tun sich Abgründe auf“, sagt der 45-Jährige. Im Netz fand er Videos, in denen islamische Fundamentalisten ihren Opfern den Kopf absäbeln. „Die Menschen haben gezappelt. So, wie sie es beim Tierschächten machen“, sagt Schüler. „Und wenn das Genick nicht geht, dann muss man es mit Messern, die eine 30- bis 40-Zentimeter-Klinge haben … dann muss man noch hacken. Abhacken. Da kann man zuschauen dabei. Das wird auf Islamseiten verherrlicht.“
Michael Schüler ist keine Mimose. Als junger Bursche, das erzählt er heute ein bisschen stolz, hat er einem Kollegen einmal einen so starken Haken verpasst, dass der k. o. zu Boden ging. Aber jetzt hat der Mann mit den kräftigen Armen Angst. „Wo ist die Grenze zwischen Islam und Islamismus?“, fragt er sich. Nach ausgiebigem Selbststudium auf islamfeindlichen Internetseiten sind Religion und fundamentalistische Ideologie für ihn dasselbe geworden. Herr Schüler, glauben Sie, dass es in Zukunft auch in Österreich Köpfungen geben könnte? Er sagt: „Das ist sehr leicht möglich.“
Zigarettenqualm Marke Vanilla Excellent liegt über dem Teich, Schüler trägt zwei dünne Goldketten um den Hals, weißes T-Shirt, kurze Jeans und Badeschlapfen. Der Schrebergärtner füttert seine Fische mit getrockneten Seidenraupen. „Nahrhafter als Chips“, sagt Schüler und steckt sich selbst eine in den Mund. „Schmeckt leicht mehlig, aber gut.“ Dann schlägt seine Stimme um, so als ob man einen Schalter umlegen würde – von sanft auf aggressiv; es ist immer so, wenn er anfängt, von Politik und Islam zu sprechen. „Islamismus“, „Parallelgesellschaften“, „Abgehobenheit der SPÖ“, „EU-Gelder für ‚unsere‘ Leute“ – der Hobbygärtner klingt wie das Best-of-Programm von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.
Mit seiner Lebensgefährtin und zwei befreundeten Schrebergarten-Pärchen hat Schüler im Vorjahr die Bürgerinitiative „Gartengallier“ gegründet. Wie der Comic-Held Asterix die übermächtigen Römer von seinem gallischen Dorf fernhalten will, formierten sich die sechs Wiener Neustädter gegen das Islamzentrum und die SPÖ-Machthaber der Stadt, die den Bau bewilligt haben. Auf der Homepage der Bürgerinitiative (die-gartengallier.at) hat sich der Wiener Neustädter den Kampfnamen „Schülerix“ verpasst, seine engsten Mitstreiter nennen sich „Hejdaix“ und „Scheiberix“ – in Wirklichkeit heißen sie Gerhard Hejda und Johann Scheiber.

Ende Mai, in der Laube von Johann Scheibers Schrebergarten. Die Gartengallier sitzen zusammen, in eineinhalb Wochen wollen sie der Öffentlichkeit ein neues Maskottchen vorstellen: ein Schwein, das unreine Tier im Islam; sie haben die Sau „Emma von Idefix“ getauft. Scheiber koordiniert die Pressetermine, ein Journalist ruft an. Scheibers Klingelton geht so, dass ein Muezzin zum Gebet ruft und fünf Sekunden später zwei Schüsse aus einer Pumpgun ertönen. Der Ruf nach Allah verstummt, das fröhliche Volksmusikstück „Unsere Tante Mizzi“ erklingt. Es hört sich an wie ein Happy End – der Muezzin ist tot, die Mizzi tanzt.
Eineinhalb Wochen später wird man in der Tageszeitung Österreich lesen, dass die Gartengallier ihre Sau „an der Leine auch an den türkischen Nachbarn vorbeiführen wollen“. Medienberichte sind der Zaubertrank der Gartengallier, sie machen sie so stark, dass die Wiener Neustädter Oppositionsparteien den Protest der sechs Schrebergärtner zu einem der wichtigsten Themen hochkochten – in einer 40.000-Einwohner-Stadt, die immer tiefer im Schuldensumpf versinkt.
Seit nunmehr einem Jahr befeuern die Boulevardzeitungen den Konflikt in der Badener Straße, sie berichteten über das geplante „Mega-Islamzentrum“, darüber, wie die Stadtgemeinde den Schrebergärtnern den Bau verheimlichte und sie nach der Gemeinderatswahl 2010 vor vollendete Tatsachen stellte, wie ein Mediationsverfahren zwischen den Streitparteien scheiterte und wie sich die Lage nach und nach zuspitzte. Heute sind die Fronten so verhärtet, dass die Gartengallier ihre türkischen Nachbarn
wo immer möglich anzeigen – wegen Ruhestörung und wegen Falschparken.
Einmal, sagt Schüler, sei er von einem Havas-Mitglied gekratzt worden, nachdem er die Autos im Halteverbot fotografiert hatte. Der Eisenbahner erstattete Anzeige, präsentierte seinen Kratzer der Presse, ließ die Schürfwunde im Krankenhaus verbinden und forderte einen Hepatitis- und Aids-Test. „Ich bin neugierig, was er für eine Strafe kriegt. Oder ob er überhaupt eine kriegt“, sagt Schüler, der fix davon überzeugt ist, Muslime würden vom österreichischen Recht bevorzugt. Ein Mitglied von Havas sagt, den Kratzer habe Schüler schon vor dem Streit gehabt, es habe nach einer Verletzung durch Gartenarbeit ausgesehen. Ein anderes Havas-Mitglied sagt, vom Konflikt mit den Gartengalliern bekomme er Kopfschmerzen.
Einmal haben die Gartengallier türkischstämmige Arbeiter auf der Baustelle so lange fotografiert und gefilmt, bis einer den ausgestreckten Mittelfinger zeigte. Schüler hat das Video auf YouTube gestellt, die Szene mit dem Finger wurde dreimal wiederholt, in den Abspann hat er „Gelungene Integration“ geschrieben. Man findet es auch auf der Homepage, so wie das YouTube-Video „Der Koran – Die Bibel des Satans“. Der Verweis zum islam-, schwulen- und ausländerfeindlichen Blog „SOS Österreich“ steht auf der Startseite.
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Seit er weiß, dass der muslimische Verein Havas in der Nähe seines Schrebergartens ein dreistöckiges Kulturzentrum errichten will, fürchtet Schüler um sein Refugium. Im Norden von Wiener Neustadt, da, wo die Züge vorbeidonnern und ringsum nichts weiter ist als graues Gewerbegebiet, hat sich der Schrebergärtner ein grünes Paradies geschaffen. Wo einst ein unwirtlicher Fleck Erde war, blühen heute Rosen und Lavendel. 19 Jahre lang hat Schüler Liebe, Geld und Arbeit in sein Lebenswerk gesteckt. Jetzt herrscht in der Badener Straße Krieg.
Die Geschichte von Michael Schüler ist die Geschichte eines Arbeiters, der den Glauben an die Sozialdemokratie verlor und eine Weltreligion zum Feindbild erhob. Bräuchte die graue Masse, die sich frustriert von der SPÖ zur FPÖ hinwendet, ein Gesicht, dann wäre es seines: Es ist teigig, mit weißem Bart, kurz geschorenem Haar und blauen Augen hinter braun getönten Gläsern. Aus dem fleißigen Eisenbahner, der leblose Erde zum Blühen brachte und noch heute voller Leidenschaft von seiner verstorbenen Frau erzählt, ist ein Mann geworden, der gegen den Islam zu Felde zieht. Was ist mit ihm geschehen?
Schüler steht vor seinem Teich, der einzigen Stelle in seinem Schrebergarten, von wo aus er das bereits gemauerte Erdgeschoß des Islamzentrums sehen kann, und fragt: „Wie weiß man beim radikalen Islam, dass das nicht gerade der Nachbar ist?“ Als er vom Bau des Zentrums erfuhr, ging er ins Internet und recherchierte über den Islam, es hat ihn einfach interessiert. „Da tun sich Abgründe auf“, sagt der 45-Jährige. Im Netz fand er Videos, in denen islamische Fundamentalisten ihren Opfern den Kopf absäbeln. „Die Menschen haben gezappelt. So, wie sie es beim Tierschächten machen“, sagt Schüler. „Und wenn das Genick nicht geht, dann muss man es mit Messern, die eine 30- bis 40-Zentimeter-Klinge haben … dann muss man noch hacken. Abhacken. Da kann man zuschauen dabei. Das wird auf Islamseiten verherrlicht.“
Michael Schüler ist keine Mimose. Als junger Bursche, das erzählt er heute ein bisschen stolz, hat er einem Kollegen einmal einen so starken Haken verpasst, dass der k. o. zu Boden ging. Aber jetzt hat der Mann mit den kräftigen Armen Angst. „Wo ist die Grenze zwischen Islam und Islamismus?“, fragt er sich. Nach ausgiebigem Selbststudium auf islamfeindlichen Internetseiten sind Religion und fundamentalistische Ideologie für ihn dasselbe geworden. Herr Schüler, glauben Sie, dass es in Zukunft auch in Österreich Köpfungen geben könnte? Er sagt: „Das ist sehr leicht möglich.“
Zigarettenqualm Marke Vanilla Excellent liegt über dem Teich, Schüler trägt zwei dünne Goldketten um den Hals, weißes T-Shirt, kurze Jeans und Badeschlapfen. Der Schrebergärtner füttert seine Fische mit getrockneten Seidenraupen. „Nahrhafter als Chips“, sagt Schüler und steckt sich selbst eine in den Mund. „Schmeckt leicht mehlig, aber gut.“ Dann schlägt seine Stimme um, so als ob man einen Schalter umlegen würde – von sanft auf aggressiv; es ist immer so, wenn er anfängt, von Politik und Islam zu sprechen. „Islamismus“, „Parallelgesellschaften“, „Abgehobenheit der SPÖ“, „EU-Gelder für ‚unsere‘ Leute“ – der Hobbygärtner klingt wie das Best-of-Programm von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.
Mit seiner Lebensgefährtin und zwei befreundeten Schrebergarten-Pärchen hat Schüler im Vorjahr die Bürgerinitiative „Gartengallier“ gegründet. Wie der Comic-Held Asterix die übermächtigen Römer von seinem gallischen Dorf fernhalten will, formierten sich die sechs Wiener Neustädter gegen das Islamzentrum und die SPÖ-Machthaber der Stadt, die den Bau bewilligt haben. Auf der Homepage der Bürgerinitiative (die-gartengallier.at) hat sich der Wiener Neustädter den Kampfnamen „Schülerix“ verpasst, seine engsten Mitstreiter nennen sich „Hejdaix“ und „Scheiberix“ – in Wirklichkeit heißen sie Gerhard Hejda und Johann Scheiber.

Ende Mai, in der Laube von Johann Scheibers Schrebergarten. Die Gartengallier sitzen zusammen, in eineinhalb Wochen wollen sie der Öffentlichkeit ein neues Maskottchen vorstellen: ein Schwein, das unreine Tier im Islam; sie haben die Sau „Emma von Idefix“ getauft. Scheiber koordiniert die Pressetermine, ein Journalist ruft an. Scheibers Klingelton geht so, dass ein Muezzin zum Gebet ruft und fünf Sekunden später zwei Schüsse aus einer Pumpgun ertönen. Der Ruf nach Allah verstummt, das fröhliche Volksmusikstück „Unsere Tante Mizzi“ erklingt. Es hört sich an wie ein Happy End – der Muezzin ist tot, die Mizzi tanzt.
Eineinhalb Wochen später wird man in der Tageszeitung Österreich lesen, dass die Gartengallier ihre Sau „an der Leine auch an den türkischen Nachbarn vorbeiführen wollen“. Medienberichte sind der Zaubertrank der Gartengallier, sie machen sie so stark, dass die Wiener Neustädter Oppositionsparteien den Protest der sechs Schrebergärtner zu einem der wichtigsten Themen hochkochten – in einer 40.000-Einwohner-Stadt, die immer tiefer im Schuldensumpf versinkt.
Seit nunmehr einem Jahr befeuern die Boulevardzeitungen den Konflikt in der Badener Straße, sie berichteten über das geplante „Mega-Islamzentrum“, darüber, wie die Stadtgemeinde den Schrebergärtnern den Bau verheimlichte und sie nach der Gemeinderatswahl 2010 vor vollendete Tatsachen stellte, wie ein Mediationsverfahren zwischen den Streitparteien scheiterte und wie sich die Lage nach und nach zuspitzte. Heute sind die Fronten so verhärtet, dass die Gartengallier ihre türkischen Nachbarn
wo immer möglich anzeigen – wegen Ruhestörung und wegen Falschparken.
Einmal, sagt Schüler, sei er von einem Havas-Mitglied gekratzt worden, nachdem er die Autos im Halteverbot fotografiert hatte. Der Eisenbahner erstattete Anzeige, präsentierte seinen Kratzer der Presse, ließ die Schürfwunde im Krankenhaus verbinden und forderte einen Hepatitis- und Aids-Test. „Ich bin neugierig, was er für eine Strafe kriegt. Oder ob er überhaupt eine kriegt“, sagt Schüler, der fix davon überzeugt ist, Muslime würden vom österreichischen Recht bevorzugt. Ein Mitglied von Havas sagt, den Kratzer habe Schüler schon vor dem Streit gehabt, es habe nach einer Verletzung durch Gartenarbeit ausgesehen. Ein anderes Havas-Mitglied sagt, vom Konflikt mit den Gartengalliern bekomme er Kopfschmerzen.
Einmal haben die Gartengallier türkischstämmige Arbeiter auf der Baustelle so lange fotografiert und gefilmt, bis einer den ausgestreckten Mittelfinger zeigte. Schüler hat das Video auf YouTube gestellt, die Szene mit dem Finger wurde dreimal wiederholt, in den Abspann hat er „Gelungene Integration“ geschrieben. Man findet es auch auf der Homepage, so wie das YouTube-Video „Der Koran – Die Bibel des Satans“. Der Verweis zum islam-, schwulen- und ausländerfeindlichen Blog „SOS Österreich“ steht auf der Startseite.
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seltsam
Die Fakten sprechen gegen die Gartengallier.Wenn das jetzt ein Supermarkt und kein Islamzentrum gewesen wäre, hätte es die Gartengallier auch gegeben ? zweifelhaft