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Hojac

Einst hieß er anders, nun heißt er wieder Hojac. Ein Mann auf der Suche nach seinen Wurzeln. Kolumne von Clemens Berger.

berger
Hojac: In diesem Traum –
Therapeutin: Ja?
Hojac: In diesem Traum kletterte ich über eine Friedhofsmauer, eine massive, riesige Friedhofsmauer, es war stockdunkel, und als ich über die Mauer kletterte, auf der Spitzen waren, was sage ich, Zacken, entsetzlich spitze, wie gegen Tauben oder Einbrecher, blieb ich beim Runterspringen mit der Hose an einer Spitze oder Zacke hängen und –
Therapeutin: Und?
Hojac: Riss mir dabei ein Loch in den Hosenboden –
Therapeutin: Ein Loch?
Hojac: Das ärgerte mich furchtbar, ich hatte meine Lieblingshose an, glauben Sie mir, die war nicht billig.
Therapeutin: Das Loch war wo?
Hojac: Zwischen den Beinen, aber darum geht es nicht. Ich ärgerte mich, dass ich meine Lieblingshose zerrissen hatte, gleichzeitig freute ich mich, die Friedhofsmauer überwunden zu haben. Das Problem war nur, dass ich keine Taschenlampe bei mir hatte, auch kein Feuerzeug oder Streichholz, ich rauche ja nicht, nur wusste ich nicht, was ich auf dem Friedhof suchte. Es war so dunkel, dass ich die Hände vor meinen Augen nicht sah, Vögel und Fledermäuse flatterten an mir vorbei, und die Stille war so, wie soll ich sagen, so –
Therapeutin: Wie war die Stille?
Hojac: So laut irgendwie, unheimlich laut. Auf einmal, ich meine, das ist absurd, aber auf einmal, nein, das ist –
Therapeutin: Auf einmal?
Hojac: Miaute eine Katze, schmiegte sich an meine Beine und miaute. Die Katze hatte, das fällt mir erst jetzt ein, das Gesicht von –
Therapeutin: Wessen Gesicht?
Hojac: Eines Mannes, der einmal sehr wichtig für mich war, in einem anderen Leben, als ich verwirrt war, und der nicht mehr lebt, und mit dem ich am Schluss auch nicht in bestem Einvernehmen stand, weil, egal, aber –
Therapeutin: Ein Landeshauptmann?
Hojac: Ja, aber darum geht es nicht. Es war eine Katze, die das Gesicht eines Landeshauptmanns, wie Sie sagen, eines ehemaligen Landeshauptmanns hatte, die aber ganz anders war als dieser Mensch, dessen Gesicht sie hatte, so zärtlich irgendwie, ja, zärtlich und sanft und in keiner Weise bedrohlich. Jedenfalls leuchtete diese Katze, ein Schimmern um sie herum, jetzt war es nicht mehr so dunkel, die Katze zog mich gewissermaßen mit. Sie ging voran, ich folgte ihr, vorbei an alten, riesigen Bäumen, vorbei an Gräbern und Gruften, hin und wieder brannte eine Kerze oder ein Grablicht, und ich hatte das Gefühl, als wollte die Katze mit mir sprechen.
Anders gesagt: Ich war davon überzeugt, dass die Katze sprechen kann, bloß, sie sprach nicht. Sagte kein einziges Wort. Und auf einmal –
Therapeutin: Ja?
Hojac: Blieb die Katze vor einem Grab stehen, kein normales Grab, eher eine Art Gruft, etwas Großes, Monumentales, die Zeiten Überdauerndes. Die Katze sprang darauf, und weil sie so leuchtete, konnte ich lesen, was auf der Gruft stand. Es war die Gruft meiner –
Therapeutin: Ja?
Hojac: Meiner Familie. Viele Namen, auch Namen, die ich nicht kannte, Vornamen, die ich nicht kannte. Aber plötzlich war die Katze weg. Da kam ein Mann mit einer Stirnlampe, wie Kumpel sie unter Tag tragen, leuchtete damit über den Stein, ich las alle Namen noch einmal. Sie sind spät, sagte er, haben Sie das Werkzeug mit?
Therapeutin: Wer war der Mann?
Hojac: Ich hatte ihn nie gesehen, es war ein, wie soll ich sagen, Mensch mit Migrationshintergrund, er sprach gebrochen Deutsch, gebrochen ist das falsche Wort, er sprach mit einem starken Akzent. Ja, sagte ich, natürlich, und griff in meine rechte Hosentasche, in der ein Hammer steckte, und dann griff ich in meine linke Hosentasche, aber als ich hineingriff, schämte ich mich vor dem Mann, weil ich mir nicht erklären konnte, wie das hatte passieren können, ich war mir sicher, ich hätte einen Meißel bei mir, aber es war furchtbar peinlich – da war eine Gurke.
Therapeutin: Eine Gurke anstelle eines Meißels?
Hojac: Ja, aber darum geht es nicht. Das kommt anderswoher.

Den vollständigen Hojac gibt es nur in der Printversion.
Wenn Sie wissen wollen, wo Sie die aktuelle Ausgabe kaufen können, klicken Sie hier
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Bisher erschienen:
Teil 5: Hojac im 13A
Teil 4: Hojac und die Zivilstreife
Teil 3: Hojac im Fasching
Teil 2: Hojac im Streichelinstitut
Teil 1: Hojac, der Taxifahrer und das verlorene Handy

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