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Futter für Bernie

Die Bank Austria hat viele Millionen Euro ihrer heimischen Kunden im Pyramidenspiel von Bernard Madoff versenkt – und dabei glänzend verdient. Jetzt kämpfen hunderte Anleger vor Gericht gegen die Bank.

Text: Nikolaus Jilch
Illustration: Tom Linecker
Keine Tatortfotos, keine DNA-Spuren, keine Fingerabdrücke: Für das Verbrechen, das Manfred K. den Großteil seiner Pensionsvorsorge gekostet hat, gibt es keine spektakulären Beweise. Es gibt ein Geständnis – jenes von Milliardenbetrüger Bernard Madoff. Und es gibt ein paar Fernsehbilder von Madoff mit einer Schirmkappe. Der Rest ist Fassungslosigkeit. „Ich kann es bis heute nicht verstehen“, sagt der 84-jährige Manfred K. „Ich bin in meiner Bank-Austria-Filiale immer gut bedient worden. Da habe ich mir auch nichts gedacht, als man mir den Primeo-Fonds empfohlen hat.“ K. wollte mit seinem Pensionsgeld keine Risiken eingehen, er wollte es sicher verwahrt wissen – die fast 100.000 Euro aus seiner Abfertigung schützen vor Diebstahl und Inflation. Das war alles. Das hat sich K. von der Bank Austria (BA) sogar schriftlich geben lassen: Risikoeinstufung niedrig. Die BA bot ihm den Primeo-Fonds an. Der schien K. das ideale Investment zu sein. „Der Bankberater hat gesagt, das ist eine sichere Sache. Er hat gesagt, der Manager des Fonds hätte die besten Beziehungen zur Wall Street, der würde gute Infos erhalten und gut veranlagen. Das hat gut geklungen. Ich habe das nicht weiter hinterfragt. Ich habe gekauft.“

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Dieser Manager, von dem der Leiter einer Bank-Austria-Filiale in Niederösterreich im Jahr 2004 dem Pensionisten Manfred K. erzählte, war Bernie Madoff – der mit dem Pyramidenspiel. Er gilt heute als größter Wall-Street-Betrüger aller Zeiten. Jahrzehntelang hatte er Freunde, Geschäftspartner und gut betuchte Investoren aus aller Welt belogen und betrogen; von dem Geld neuer Anleger zahlte er den alten Erträge aus. Bis 2008 die Finanzkrise kam und zu viele Investoren gleichzeitig ihr Geld abziehen wollten, weil sie es anderswo brauchten. Madoff versuchte alles, legte sogar noch einen weiteren Fonds auf, um neue Gelder zu sammeln. Aber es war zu spät: Am 11. Dezember 2008 brach sein System zusammen, Madoff wurde verhaftet, und tausende Investoren in der ganzen Welt verloren alles. Die Schadenssumme beläuft sich auf mindestens 65 Milliarden Dollar (rund 46 Milliarden Euro). Davon waren etwa zwei Milliarden Euro in den Primeo und seine Schwesterfonds investiert, schätzen die Anwälte der Opfer. Inzwischen sitzt Bernard Madoff eine 150-jährige Haftstrafe ab – lebenslang.

Anders als die Elite-Investoren, die direkt bei Madoff ein Konto hatten, wussten Manfred K. und die übrigen Kunden der Bank Austria bis zum Dezember 2008 gar nicht, wo ihr Geld angelegt wurde. Sie vertrauten auf die Bank und ihren Primeo-Fonds – der Manager Madoff wurde in den Verkaufsprospekten mit keinem Wort erwähnt. Hunderte Geschädigte haben deswegen bisher geklagt – bis Dezember müssen alle Klagen eingegangen sein, dann läuft die Verjährungsfrist aus. „Ich glaube schon, dass durch die Klage etwas zurückkommen wird von dem Geld. Ich kann ja beweisen, dass ich kein Risiko eingehen wollte“, sagt Manfred K. „Aber ob ich das noch erlebe, ist eine andere Frage.“ Der Primeo-Fonds und ähnliche Produkte wurden den Kunden von der Bank Austria als todsichere Sache verkauft, als VIP-Investment, in das nicht jeder einsteigen könne. Das Risiko sei gering, hieß es. Dabei hätte das Risiko nicht größer sein können. Alles Geld aus dem Primeo-Fonds ging direkt an Madoff. Die Kontrollmechanismen wurden umgangen. Nicht ein Cent wurde je in irgendeine Aktie oder Anleihe investiert. Das System war, wie Madoff nachher selbst sagte, „eine einzige große Lüge“.

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Jetzt sind mehrere Anwaltskanzleien und die Staatsanwaltschaft Wien hinter der Bank Austria her. Gegen mehr als ein Dutzend BA-Manager wird strafrechtlich ermittelt. Frühestens im Herbst könnte es zu einer Anklage der Staatsanwaltschaft gegen die BA und ihre Manager kommen. Der Verdacht: Die Bankmanager hätten die Kunden in den Fonds getrieben und über ein kompliziertes Firmenkonstrukt auch noch Geld daran verdient. Viel Geld. Eine Primeo-Managerin hat inzwischen sogar Selbstanzeige erstattet, weil sie mehr als eine Million Euro über Liechtenstein der österreichischen Steuer entzogen haben soll. Geld, das wahrscheinlich aus Gebühren für die Vermittlung von Kunden an Madoff kam. „Selbst wenn Madoff seriös gearbeitet hätte, wäre die Gebührenstruktur der Bank Austria nicht in Ordnung gewesen“, sagt der Anwalt Dieter Böhmdorfer, der mehrere Geschädigte vertritt. „Die haben meines Erachtens Gebühren fürs Nichtstun kassiert. Jedenfalls hat keine effiziente Kontrolle stattgefunden.“ Die Bank und ihre Mitarbeiter bestreiten die Vorwürfe und sehen sich selbst als Opfer des Madoff-Betrugs. Genau wie Sonja Kohn, deren Bank Medici ein wichtiges Rädchen im Madoff-System gewesen sein dürfte. Sie war das Bindeglied zwischen Bank Austria und Madoff. Die BA ist auch an der Bank Medici beteiligt. Für alle Personen gilt die Unschuldsvermutung. Für alle, außer für Bernard Madoff. Denn der hat gestanden. „Wir werden uns auch weiterhin auf dem normalen Rechtsweg mit den Anschuldigungen auseinandersetzen“, sagt Bank-Austria-Sprecher Martin Halama, „wobei wir der festen Überzeugung sind, dass diese unbegründet sind. Darüber hinaus kommentieren wir laufende Verfahren nicht im Detail.“

Jene zwei Klagsfälle, bei denen es schon zu rechtskräftigen Urteilen gekommen ist, hat die Bank Austria gewonnen. Die Anwälte der übrigen Anleger sind aber der Meinung, dass diese Klagen zu hastig eingebracht wurden – und nicht gut vorbereitet. Außerdem könnten die Geschädigten bald Rückendeckung von der Staatsanwaltschaft erhalten. Es geht jetzt vor Gericht darum, was in den Prospekten gestanden ist, die den Anlegern vorgelegt wurden. Für diese Prospekte ist die Bank verantwortlich, die einen ausländischen Fonds in Österreich anbieten will. Sie haftet für den Inhalt. Dass der Primeo ein Fonds der Bank Austria auf den Cay­man Islands war und die Bank Austria selbst den Prospekt des Primeo für Österreich „kontrollierte“, ist ein pikantes Detail – aber noch nicht ungewöhnlich. Was tatsächlich in den Prospekten stand und was nicht, darüber streiten sich jetzt die Juristen. „Es gibt Anhaltspunkte, dass im Prospekt einiges falsch dargestellt wurde“, sagt Thomas Vecsey, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien. Ein strafrechtliches Urteil gegen die Bank Austria wäre richtungsweisend für die Zivilverfahren. Und eine Novität: „Mit dem Investmentfondsgesetz haben wir bisher nur wenige Erfahrungen gesammelt“, sagt Vecsey. Der Primeo war ein sogenannter Feeder-Fonds für Madoffs Betrugssystem. Auf Deutsch: ein Fütterungsfonds.

Was jetzt vor Gericht erörtert wird, klingt spröde – ist aber brisant: Da geht es um die Frage, ob die Anlagestrategie im Prospekt korrekt beschrieben wurde. Darum, ob es irreführend ist, wenn manchmal von mehreren „Managern“ die Rede ist, wo Madoff doch alles alleine gemacht hat. Und darum, wer die Depotbank war. Also die Stelle, wo die Investments des Managers kontrolliert werden. Laut Prospekt war die Großbank HSBC dieser Kontrollor. Laut den Anwälten der Geschädigten hat Madoff diese Rolle aber selbst erfüllt, als sogenannter Subcustodian – als Unterverwalter. Dieses Detail ist entscheidend für den ganzen Fall: Ohne selbst seine eigene Depotbank zu sein, hätte Madoff das Schneeballsystem gar nicht aufbauen können. Es wäre aufgefallen, dass er nie auch nur eine Aktie gekauft hat. „Deswegen war es Voraussetzung für einen Feeder-Fonds, dass Madoff die Rolle der Depotbank auch übernimmt. Alles musste in einer Hand sein“, sagt Lukas Aigner, Anwalt bei der Kanzlei Kraft & Winternitz, die 313 Primeo-Opfer vertritt. An dieser Stelle wird der abstrakte Rechtsstreit zur Grundsatzfrage: Wie konnte es passieren, dass Madoff dieses Trennungsprinzip für Investmentfonds jahrelang unterwanderte? Warum hat die Bank Austria da mitgespielt? Wo waren die staatlichen Kontrollorgane? Wie viele ach so glänzende Manager betreiben heute noch ähnlich krumme Geschäfte? Wie viele Pyramidenspieler sind noch da draußen? Wem kann man noch vertrauen?

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didi (Gast) - 19. Aug, 16:24

nicht sauber berichtet

der subtext täuscht - die bank austria hat kein eigenes geld versenkt - nur das ihrer kunden - und das ist ihr egal



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