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Rastzeit

Wie ich einmal, aber nicht fürs DATUM, zur
Raststation Loipersdorf fuhr und dann wieder zurück.

Text: Stefan Kraft
Fotografie: Kurt Prinz
Nimm doch das Dreier-Eisen“, sage ich zu K., doch er lässt sich nicht beirren. Er holt tief Luft, dann etwas Schwung und drischt den Ball zwischen den beiden Dreiecken direkt ins Loch. „Hole-in-One“, kreischt K. Er hat der Belastung standgehalten. Nach sieben Stunden Minigolf schreie ich nach Veränderung: „Machen wir doch etwas, was normale Österreicher auch machen!“ K. schweigt und versucht, mit seinem Schläger die Zwischenräume seiner Zehen zu säubern. Ich überlege fieberhaft. Im Outlet einkaufen? Das Museum Jörg Haiders besuchen? Mit anderen um die Wette grillen?

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„Ich habe Hunger“, sagt K., der gerade die letzten Reste seiner Zehenreinigung vom Schläger klopft. Hunger, denke ich, Hunger, das ist etwas typisch Österreichisches. „K.“, rufe ich, „K., lass uns dort essen, wo auch alle anderen essen. Fahren wir zur Raststation Loipersdorf.“

Also fahren wir hin, wo am Sonntag alle hinfahren. Wir lassen Wien hinter uns und auch Vösendorf, Wiener Neudorf, Traiskirchen und Baden sowie Wiener Neustadt, Seebenstein und Aspang/Edlitz, beachten Zöbern nicht weiter, und schon sind wir da, am kulinarischen Gipfel des Burgenlandes. Noch verdeckt uns die hässliche italienische Agip-Tankstelle den Blick auf das schöne, heimatliche Riesen­gasthaus, aber ein schneller Schwenker, und wir parken uns ein neben einem Bus aus „ME“, dessen Insassen überaus gemütlich auf ihren Klappsesseln am Parkplatz Platz genommen haben. Gemütlichkeit, denke ich, Gemütlichkeit, das ist etwas typisch Österreichisches.

Was ziemlich der Wahnsinn ist: Die Raststation Loipersdorf ist das, man glaubt es kaum, bestbesuchte Restaurant des gesamten Burgenlands. Kein Heurigen in Rust, kein Strandwirt in Neusiedl, kein McDonald’s in Oberwart kann da auch nur annähernd mithalten. Stichwort „Wirtschaftsfaktor“, um nur eines zu nennen. Stichwort „Strukturschwache Region“ (sind aber eigentlich zwei Stichwörter). Könnten sich die seltenen griechischen Besucher dieser Raststation mit einem der hier zahlreich erhältlichen Gratis-Kugelschreiber hinter die Ohren schreiben. Was ziemlich super ist: dass man sich hier nicht nur um das leibliche Wohl von bis zu 5.000 Menschen am Tag kümmert und um bis zu vierzig Busladungen, sondern, „sondern, lieber K., hier wurde wirklich alles getan, um die ländliche Atmosphäre in die gleißende Moderne eines Autobahnrestaurants zu übersetzen“, jauchze ich voller Appetit.

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Wir stehen bereits vor der ersten Sehenswürdigkeit nebst dem ausladenden Kinderspielplatz – einer Informationstafel, die uns über die Ursprünge der Ortschaft Loipersdorf informiert (alles hier atmet Geschichte). Gegründet wurde sie vom „Kolonistenführer Luitpold“, aber K. ist schon ganz zappelig: „Kolumnistenführer, Kommunistenführer, ich will zum Konsumationsführer“, sagt er und zerrt mich vor die liebevoll gestaltete große Speisetafel am Eingang. Aus der „Wurzelrahmsauce“ hat ein spaßiger Geselle einige Kreidebuchstaben ausgelöscht, „Wurelrahmsau“ steht jetzt da, es ist zum Schießen. Weiters im regionalen Angebot: „Kanadische Waffeln mit Erdbeeren“.

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Etwas erschreckend: die Statue am Eingang. „Ich heiße Ronny Zitroni und ich lade dich ein“, steht in der Sprechblase über der Pappfigur, die offenbar einen allzu hässlichen Zauberer darstellen soll, aber Zauberer gibt es ja gar nicht wirklich, sage ich mir, der ist doch nur gezeichnet, nur die Ruhe, und schon überfährt mich eine Autobusladung, während ich mich vom Schreck erhole. Sie sind jung und alt, sie tragen Crocs und weite Jeans, sie sind voller Erwartung. Keiner von ihnen wird nachher im Gästebriefkasten beim Eingang eine böse Mitteilung hinterlassen, sondern vielmehr den lieblichen Kräutergarten bewundern, der dort rundherum aufgebaut wurde.

Hinein in die Station, die schon so vielen Reisenden Trost und Rast gespendet hat, wir bewundern einen der wohl größten künstlichen Bäume der Welt, der über die Bar seine Äste ausgebreitet hat, wir sind entzückt über die Regale voller Maiskolben und die ausgestellten Wagenräder, die echt rustikalen Vorhänge, die Weinvitrine und ganz besonders über den Storch (!), der auf dem echt rustikalen Backofen thront.

Hinaus auf die Terrasse mit ihrem atemberaubenden Blick quer über die Felder dieses paradiesischen Erdreichs, ein Fressen für jeden Kolonistenführer, wir besetzen einen Platz an der Sonne. Alle Kellner hier sind „in Ausbildung“, wie ihr Hinweisschild verrät, K. bestellt zwei Speisekarten und erkundigt sich nach einem Ronny-Zitroni-Auftritt.

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Kaum zwanzig Sekunden später ist die Service-Leiterin zur Stelle: „Der Zauberer ist am Sonntag nur von zwölf bis 14 Uhr da.“ Zu spät. Nicht einmal eine Zaubertüte mit Katzenmaske und Buntstiften gibt es für uns. So erfahren wir auch nicht, wie die Kindermenüs heutzutage heißen. Heißt zum Beispiel ein Schnitzel mit Pommes frites noch immer „Winnetou“ (wegen dem Ketchup?), und heißen die Fischstäbchen noch immer „Idefix“ und die Grillwürstel „Mickey Mouse“?

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